Draußenschule - Den eigenen Weg finden
Der Autor Johannes Plotzki stellt seinem Buch "Draußensein macht Schule!" folgende Einleitung voran:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei vielen Lehrkräften ist der Wunsch gewachsen, sich vermehrt anderen Lernräumen zuzuwenden, als den bisher gewohnten. Nicht zuletzt ausgelöst wurde dies durch das weltweite Pandemiegeschehen, welches auch hierzulande Bedingungen von gelingender Bildung einmal erneut auf den Prüfstand
stellte. Es rückten dabei auch die Lernorte in den Fokus, die direkt vor der Schultür liegen und ein anderes Lernen ermöglichen.
Fragt man nun Lehrerinnen und Lehrer, warum sie bereits während der Unterrichtszeit regelmäßig mit ihren Klassen nach draußen gehen, fällt ganz oft der Satz, dass diese Form des Lernens ihren Schülerinnen und Schülern sehr viel mehr entgegenkommt als die vielen Stunden im Klassenraum.
Wie alles anfing – im Norden von Deutschland
Auch unser Antrieb, damals aus einem als einmaliger Ausflug geplanten Wandertag ein Konzept oder gar eine Unterrichtsmethode werden zu lassen, ist auf folgende Begebenheit zurückzuführen:
„Könnte es das nicht jede Woche geben?“, war die Frage, die bei der Reflexion eines Draußentages mit einer Klasse am Ende ihres ersten Schuljahres auftauchte. Ja, warum eigentlich nicht? Die Rektorin der Dorfschule im Kreis Stormarn (Schleswig-Holstein) gab ihr Einverständnis, die Klasse 2c an einem festen Wochentag für drei Zeitstunden in Begleitung ihrer Klassenlehrerin Kiene Bertram-Plotzki und des Naturpädagogen Johannes Plotzki nach draußen gehen zu lassen. Damit war der erste Grundstein für die Draußenschule gelegt.
Ein geeigneter Ort als Ziel der wöchentlichen Ausflüge war in der Nähe schnell gefunden. Etwa zehn Minuten zu Fuß von der Schule entfernt, befindet sich ein aufgelassener Teil einer Sandgrube, wo schon seit Jahren kein eiszeitlich abgelagerter Kies und Sand mehr abgebaut wird. Junge Eichen, Birken und Buchen haben diese spannende Fläche mit ihrem starken Relief in Besitz genommen. So ging es fortan jeden Montag kurz nach 8 Uhr los zu diesem Stück verwilderter Industrie- und Kulturlandschaft, in der es sich herrlich spielen, rutschen, rennen, klettern und einfach nur dasitzen und beobachten ließ.
Das war im Jahr 2008. Und auch heute gehen die Klassen der mittlerweile nur noch zweizügigen Dorfschule wöchentlich in die unmittelbare Umgebung zum Lernen, eben in ihre Draußenschule. Dieser Name war damals schnell gefunden. Er sollte deutlich machen, worum es geht: Schule draußen. Erst
später bei der Recherche wurde deutlich, dass wie so oft eine gute Idee bereits ein alter Hut ist. Der kreierte Name ist nur die deutsche Übersetzung von etwas, was in skandinavischen Ländern längst gang und gäbe ist.
Mit meinem Ratgeber soll denjenigen Lehrkräften eine Hilfestellung an die Hand gegeben werden, die sich mit ihren Klassen ebenfalls auf den Weg nach draußen machen und mehr gemeinsame Lernzeit im Freien verbringen möchten.
Den eigenen Weg nach draußen finden
Grundlegend für mein Buch sind die Erfahrungen mit der Entwicklung und Einführung von dem Konzept „Draußenschule“. Was im Jahr 2008 mit einer einzigen Klasse begann und ein Novum in der Schullandschaft Deutschlands darstellte, hat sich seitdem auf zahlreiche weitere Schulen ausgebreitet.
Die meisten der über 20 Schulen, die mit unserer Unterstützung das Konzept der Draußenschule einmal begonnen haben, führen es bis heute fort. An diesen Schulen hat diese Form des Lernens und Lehrens längst den Status eines Projektes überschritten. Sie ist als Methode für fächerübergreifenden, schülerzentrierten und lebensweltbezogenen Unterricht in den jeweiligen Schulprogrammen verankert.
Wie die einzelnen Schulen dabei ihr Draußenlernen umsetzen, ist individuell verschieden und abhängig von den Lehrkräften, der Schulleitung und nicht zuletzt von den lokalen Bezügen. Eine siebenzügige Ganztagsgrundschule im Hamburger Stadtteil Sternschanze macht eine andere Draußenschule als eine kleine Dorfschule auf dem flachen Land mit nur einer Klasse pro Jahrgang, oder als eine Gesamtschule mit ihren Naturwissenschafts-Kursen. Gemeinsam ist den Schulen, dass sich die Schulgemeinschaft auf einen Weg machte, von dem sie nicht genau wusste, wo der Weg sie und ihre Schule hinführt. In den Schulen hat sich aber schnell herausgestellt, dass dieser Weg eine tragende Säule der Schulentwicklung ist.
Auch wenn sich die Ausgestaltung der Draußenschule individuell unterscheidet, gibt es eine Reihe von übereinstimmenden Kriterien, die sich in den vergangenen Jahren für die konkrete Umsetzung als wichtige Hilfestellungen erwiesen haben. Diese sollen in meinem Buch verständlich zusammengefasst werden. Die Tipps und Praxiserfahrungen in diesem Ratgeber können weitere Schulen und Lehrkräfte dazu ermutigen, sich ebenfalls auf den Weg nach draußen zu machen, und sie dabei unterstützend begleiten. Lehrkräfte finden hier ganz konkrete Praxistipps, die dabei helfen, an ihrer Schule Strukturen für eine Verstetigung vom Draußenlernen zu etablieren.
Es wäre nicht möglich, ein Konzept der Draußenschule zu beschreiben, wenn es in der Vergangenheit nicht viele mutige Lehrerinnen und Lehrer, innovative Schulleitungen, unterstützenden Förderpartnerinnen und -partner und nicht zuletzt den immer größer werdenden Kreis an freiberuflichen Umweltpädagoginnen und Naturbildnern gegeben hätte. Sie allesamt haben mit viel Herzblut, Engagement und Kreativität die Draußenschule zu dem gemacht, was sie heute ist. Ihrer aller Erfahrungen mit dem Lernen draußen fließen in die nachfolgenden Seiten mit ein.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Lerngruppen viel Freude und reichhaltige Erfahrungen beim gemeinsamen Weg nach draußen!
Johannes Plotzki